Radtour nach Polen



Vor über 20 Jahren kam uns die Idee, mal mit dem Rad nach Polen, genauer nach Masuren zu fahren. Inspiriert durch die Radtour eines damals 61-jährigen aus Warendorf geisterte diese Idee immer wieder durch unsere Köpfe. Was der kann, das können wir doch schon lange - oder nicht? Wir sind begeisterte Radler und haben schon einige Radurlaube wie etwa am Donauradweg hinter uns. Auch haben wir gute Trekking-Räder und Regen kann uns nicht wirklich schrecken.
Nun, es sind immerhin über 1.000 km von Warendorf in den Kreis Allenstein (poln. Olsztyn). Jahrelang scheuten wir auch die polnischen Straßen und besonders den Verkehr. Mittlerweile hat sich die Situation aber gebessert und das Fahrrad hat in Polen einen höheren Stellenwert als damals.

Und so entschieden wir uns, im Mai 2015 endlich die jahrelang vorgenommene Tour zu fahren. Wir gehen langsam auf die 50 zu und es wird allmählich Zeit. Eine der größten Herausforderungen war die Routenplanung. Schließlich gibt es an der A2 keinen Radweg, und auch in Polen wollten wir nicht unbedingt an der Hauptstraße entlang fahren. Die Lösung war denkbar einfach - Google Maps! Man gibt einfach Start und Ziel ein, wählt das Symbol "Fahrrad" statt "Auto" und läßt sich die Strecke berechnen. Ich bin die Strecke im Detail virtuell "abgefahren" und hatte sie für gut befunden. Dazu im Reisebericht mehr... Nur in Berlin wurde die Route etwas nach Norden verschoben, damit das Brandenburger Tor auf der Strecke liegt - eine symbolische Zwischenstation.

Hier die wichtigsten Wegpunkte:
Freckenhorst - Borgholzhausen - Bünde - Minden - Hannover - Braunschweig - Helmstedt - Erxleben - nördlich an Magdeburg vorbei - Burg - Brandenburg - Potsdam - Berlin - Küstrin - Gorzow, Pila, Grudziadz, Ilawa, Ostroda, Tomaryny (15 km westlich von Allenstein / Olsztyn)

Die Karte zeigt nicht den genauen Verlauf, da sie nicht von Google stammt. Sie kommt der tatsächlich geplanten Strecke aber sehr nahe.

Karte

Wir fuhren nur eine Strecke und ließen uns abholen. Erste Überlegungen, mit dem Zug zu fahren, hatten wir schnell wieder verworfen. Das Diebstahlrisiko, mangelnde Platzsicherheit trotz Reservierung usw. waren die Hauptgründe.

Ich habe diese Seite mit einem Smartphone während unserer Fahrt täglich aktualisiert - neudeutsch gebloggt. Ein Laptop wäre viel zu schwer im Gepäck gewesen.


Freitag, 1. Mai 2015

Heute war der erste Tag unserer Radtour. Wir sind kurz nach 6 Uhr losgefahren und um 7 Uhr abends in Bad Nenndorf, kurz vor Hannover angekommen. Die erste Etappe war 141 km lang. Wir sind zwar müde, aber haben kaum körperliche Beschwerden. Nach 2 kalten und nebligen Stunden war das Wetter schön und wir hatten oft sogar Rückenwind.
Zeitweise waren viele Leute mit dem Rad und zu Fuß unterwegs, besonders an der Weser. Bei km 83 in Bad Oeynhausen dann die erste Panne - Platten bei Beate. Ihr erster nach vielen Jahren. Kaum angehalten, kam auch schon ein Anwohner vorbei und hat uns Hilfe angeboten. So lernten wir die Hilfsbereitschaft von Peter und seiner Tochter kennen. Sie luden uns sogar noch zum Kaffee ein, nachdem ich mit dem Flicken fertig war. So gab es nach dem unerfreulichen Start doch noch ein Happy End.

Peter & Tochter

Unser Weg führt uns ab Minden über weite Strecken am Mittellandkanal entlang. Leider war die Beschaffenheit der Wege nicht besonders gut und so sind wir auf Landstraßen ausgewichen. Diese Straßen sind sehr schön zum Radfahren, allerdings bedeutete das auch mehr Zeitbedarf durch zusätzliches Navigieren. Bleibt zu hoffen, dass es auf dem weiteren Verlauf besser aussieht.


Samstag, 2. Mai 2015

Besseres Fahrradwetter hätten wir uns nicht wünschen können. Nach einem kühlen Start schien den ganzen Tag die Sonne und wir hatten fast nur Rückenwind. Nach 109 km endete die heutige Etappe in Braunschweig in einem sehr schönen alten Fachwerkhaus-Hotel.
Wir sind viele Kilometer am Mittellandkanal entlang gefahren, schwerpunktmäßig bei Hannover. Ein Vergnügen war das aber nicht - der Belag ist meist Split und Schotter. Das rüttelt ganz schön durch und man kommt auch nicht so schnell vorwärts. Deshalb haben wir den Kanal in Sehnde verlassen. Unsere weitere Route führt sowieso vornehmlich über Nebenstraßen.

Braunschweig


Sonntag, 3. Mai 2015

Heute war die Fahrt eine Strapaze. Wir hatten den ganzen Tag starken Gegenwind. Zwar schien vormittags die Sonne, aber das war auch kein Trost. Die Route führte von Braunschweig über Helmstedt bis nach Wolmirstedt, 20 km nördlich von Magdeburg. Insgesamt waren das 87 km bei einer reinen Fahrzeit von 6:44. Gestern haben wir in der gleichen Zeit 22 km mehr geschafft.
Mit dazu beigetragen hat aber auch ein weiterer Versuch, am Mittellandkanal entlang zu fahren. Wir können davon nur abraten. Im günstigsten Fall fährt man über Splitt, doch schon nach kurzer Zeit kann es auch wieder Schotter sein. So kommt man nicht wirklich voran - und durchgeschüttelt wird man auch.


Wachturm

Der Wachturm an der ehemaligen innerdeutschen Grenze bei Helmstedt direkt an der A2.


Montag, 4. Mai 2015

Ein sehr schöner Tag zum Fahren heute. meistens Rückenwind und viel Sonne. Nach 115 km endete unsere Fahrt in Werder bei Potsdam. Nach kurzer Suche haben wir ein Hotel auf der Insel direkt am Wasser gefunden.
Gleich nach der Abfahrt in Wolmirstedt haben wir am Wasserstraßenkreuz mit dem Mittellandkanal die Elbe überquert. Dort war der Weg wenigstens asphaltiert. Anschließend ging es nach Burg und ein Stückchen die B 1 entlang. Dann weiter über Ziesar Richtung Brandenburg über Nebenstrecken. Am Breitlingsee haben wir eine etwas längere Pause gemacht und uns dann durch den Feierabendverkehr von Brandenburg gequält. Weiter ging es über die B 1 in Richtung Potsdam. Zum Glück gab es einen Radweg, die Straße ist relativ stark befahren.

Selfie1

Breitlingsee


Dienstag, 5. Mai 2015

Wir haben nun fast die Hälfte unserer Strecke zurückgelegt, insgesamt 540 km. Die heutige Etappe führte uns nach Strausberg (Bundeswehr Hauptquartier) nordöstlich von Berlin. Wir sind mitten durch die Stadt gefahren - das Brandenburger Tor war ein symbolisches Zwischenziel - aber an Hauptstraßen entlang zu fahren ist schon belastend. Berlin erscheint endlos groß und vor allem laut. Radfahrer fahren deutlich schneller und rücksichtsloser als irgendwo sonst, wo ich gefahren bin. Weil ich obendrein in Potsdam eine Reifenpanne hatte, stehen heute nur 88 km auf dem Tageskilometerzähler.
Mit einem Platten hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, nahm ich doch an, meine Reifen wären unplattbar. Aber in der Typbezeichnung fehlt das " + ", damit wäre der Reifen nahezu pannensicher. Daher habe ich zumindest hinten gleich aufgerüstet, Beate später in Berlin komplett. Sicher ist sicher. Wir haben noch Polen vor uns.

Gesundheitlich geht es uns beiden gut. Wir verspüren zwar noch Muskelkater in den Beinen und das Sitzfleisch leidet auch, aber von Tag zu Tag lassen die Beeinträchtigungen nach. Unsere Körper scheinen sich an die tägliche Belastung zu gewöhnen (oder haben aufgegeben, Schmerzen zu melden ...). Die Sonne hat uns auch ein wenig gebräunt.

Heute haben wir auch mal Wäsche gewaschen. Davon haben wir nur das allernötigste mit, denn jedes Gramm zählt. Hervorragend bewährt haben sich unsere T-shirts aus Merinowolle. Die riechen selbst dann nicht, wenn man sie tagelang getragen und geschwitzt hat. Unsere sind von Icebreaker und im Verhältnis zu Baumwoll-T-shirts allerdings etwas teuer.

Brandenburger Tor


Mittwoch, 6. Mai 2015

Die Hälfte des Weges liegt nun hinter uns. Mittags haben wir die polnische Grenze bei Küstrin überquert. Nach 110 km haben wir ein Hotel in Gorzow Wielkopolski gefunden. Das Wetter war wieder schön und wir hatten leichten Rückenwind.
Zunächst ging es durch die Märkische Schweiz. Landschaftlich sehr schön, aber für Radfahrer oft eine ziemliche Herausforderung. Während manche Strecken sogar als Fahrradstrasse ausgebaut sind, führte unser Weg häufig über Schotter- oder sogar Sandwege. Ein Mountainbike ist da einfach besser geeignet. Weiter ging es Richtung Seelow und dann nach Küstrin. Nach dem obligatorischen Foto-Stop fuhren wir in nordöstliche Richtung mit Ziel Gorzow Wlkp. (Landsberg) weiter.
Der erste Eindruck hat sich schnell bestätigt - innerorts sind die Radwege meist deutlich schlechter, wenn überhaupt vorhanden. Man ist oft gut beraten, auf dem Bürgersteig zu fahren. Absenkungen an Einfahrten und Kreuzungen sind in der Regel vorhanden aber manchmal selbst an ausgewiesenen Radwegen unzureichend. In Witnica mussten wir auf der Straße fahren. Viel mehr als 12 km/h war wegen dem Kopfsteinpflaster nicht möglich. Noch schlimmer war es in Gorzow. Wir sind dann auf dem Bürgersteig "gefahren". Außerorts war der Radweg entlang der Straße wesentlich besser, oft sogar ausgezeichnet. Wir haben aus Sicherheitsgründen übrigens auf bestimmten Strecken auch schon in Deutschland Warnwesten und Helme getragen. Besonders auf Straßen ohne Radweg wie etwa auf der B 1 zwischen Seelow und Küstrin ist das empfehlenswert.

 Grenze D-PL


Donnerstag, 7. Mai 2015

Wir haben wirklich unverschämtes Glück mit dem Wetter. Wieder schien die Sonne, der starke Wind trieb uns vor sich her und die nachmittags aufziehenden Schauer machten einen Bogen um uns. Nur ganz zum Schluß hatten wir heftigen Gegenwind und es war schon recht kühl mit kurzer Hose.
Nachdem wir in Gorzow gestartet sind, ging es entlang der Warta (Warthe) über z.T. recht gut ausgebaute Strecken. Später wurde die Straße aber immer schlechter und wurde schließlich zu einem Sandweg im Wald. Doch dann wurde es wieder besser und wir befanden uns auf dem Fernradweg R1, der auch durch Warendorf verläuft. Da unsere geplante Route schon manches Mal nicht die erste Wahl war, entschieden wir uns, dem R1 zu folgen. Die Strecke war zwar weiter, aber sehr gut zu fahren. Wir werden uns also weiter am R1 orientieren, die GPX-Datei für die Routenführung auf dem Smartphone war schnell runtergeladen.
Unsere heutige Tour endete nach 119 km kurz vor Trzcianka. Wir haben ein sehr schönes Hotel am See gefunden, vom Zimmer aus hat man eine tolle Aussicht. Zu unserer Überraschung und speziellen Freude von Beate hat unser Bad eine Wanne. Die wurde gleich gefüllt, das entschädigte für die Strapazen auf den letzten Kilometern.

 Hotel

 Zimmer

 Aussicht

 Bad


Freitag, 8. Mai 2015

Wieder war das Wetter und der Wind auf unserer Seite. Nach 105 km haben wir eine bescheidene Unterkunft zwischen Pila und Bydgoszcz gefunden, ganz in der Nähe von Bagdad.

 Bagdad

 Hotel

 Zimmer

 Zimmer

 Zimmer

 Zimmer


Samstag, 9. Mai 2015

Der Wind hat heute im wahrsten Sinne die Seiten gewechselt. Über weite Strecken hatten wir Gegenwind, erst zum Schluß lief es richtig gut. Immerhin blieb es auch heute trocken.
Weitgehend haben wir uns am R1 orientiert, nur wenn der Verlauf zu sehr von der Geraden abwich, sind wir vorzugsweise Nebenstraßen gefahren.
Wir hatten in Pruszcz eigentlich nur nach einem Cafe oder etwas Vergleichbarem gefragt - nach einer kurzen Unterhaltung wurde eine Einladung daraus. Kasimir und seine Frau servierten uns Kaffee auf ihrer Terasse. Er hat schon mal 20 Jahre in Deutschland gelebt und auch seine Frau dort kennengelernt. Nach einer Stunde sind wir dann weitergefahren, weil die Zeit schon drängte. Wir hätten noch Stunden bleiben können.

 Kasimir

Am frühen Abend erreichten wir die Weichsel, Polens' größter Fluss. Eine Weile sind wir gen Norden entlang geradelt und dann über eine Brücke rüber nach Chelmno (Kulm) gefahren, wo unsere Tour nach 108 km endete. Ein Hotel war schnell gefunden, das Essen war wirklich lecker und gar nicht mal teuer (für deutsche Verhältnisse).

Weichsel

 Kulm


Sonntag, 10. Mai 2015

Das Ziel ist zum Greifen nah, nur noch 60 km bis Tomaryny (Thomareinen). Unsere heutige Etappe führte durchs Kulmer Land über Grudziaz (Graudenz) und endete nach 105 km in Ilawa (Deutsch Eylau). Der R1 führt entlang der Weichsel weiter nach Norden und wir haben ihn in Grudziaz verlassen. Der Westwind war sehr günstig für uns, es fuhr sich richtig leicht. Dafür war ein Teil der mit Google Maps geplanten Strecke in einem solch schlechten Zustand (meist grobes Kofsteinpflaster, Schotter oder viele Schlaglöcher), dass wir ab Lasin die stark befahrene Hauptstraße vorzogen. Die bereits erwähnten Warnwesten und Helme vermittelten wenigstens ein Gefühl der Sicherheit. Zudem fahre ich grundsätzlich immer mit Licht. Die Luft war kühl und in der Sonne war es warm und so zog man sich inmer wieder an und aus.
Über eine längere Strecke gab es kein Geschäft, geschweige denn ein Cafe oder ähnliches. Irgendwann ging dann mal bei mir die Luft raus und die Kräfte schwanden. Erst kurz vor Lasin gab es eine Tankstelle und ein paar Schokoriegel brachten wieder Energie zurück. Im Ort selbst fanden wir dann eine Pizzeria und machten erst mal Pause.

Hotel Stary Tartak Ilawa
       
Unser Hotel in Ilawa.


Montag, 11. Mai 2015

Wir haben unser Ziel erreicht. Kurz nach 14 Uhr und nach insgesamt 1.155 km in 10 1/2 Tagen trafen wir in Tomaryny ein. Unsere Position hatte ich via APRS übers Smartphone ständig ins Netz gestellt so dass Eingeweihte uns permanent verfolgen konnten. Und so wurden wir auf der Hofeinfahrt gleich mit Sekt begrüßt.
Schon 1 Stunde später hatten wir ein kurzes Interview mit der Lokalzeitung, anschließend das obligatorische Foto auf der Brücke zum Hof.

Ziel - Tomaryny

Sektempfang



Fazit & Ratschläge für Nachahmer:

Die wichtigsten Hilfsmittel während der gesamten Fahrt waren zweifellos ein Garmin 62st und ein Smartphone (Galaxy S5). Die Strecke und später unterwegs den Track vom Radweg R1 habe ich in den Garmin geladen. So hatte ich immer den Wegverlauf im Blick und konnte sofort reagieren, wenn wir die Route verlassen haben. Allerdings ist die Kartenübersicht im Vergleich zu einem Smartphone mit entsprechender Software sehr schlecht, zudem arbeitet das Gerät sehr langsam. Hier zeigte das Smartphone seine Stärken. Egal ob mit Google Maps, Orux oder Ape Map - die Bedienung war um Welten besser als mit dem Garmin. Dafür lief der über einen Tag mit 2 AA-Akkus, das Smartphone habe ich ständig mit einem 11 Ah-Powerpack gepuffert.
Für beide Geräte habe ich Halterungen am Lenker, die Bedienung ist damit ähnlich wie mit einem Navi im Auto.

Ein Smartphone kann bekanntlich aber noch viel mehr. So habe ich neben dem Abruf des Wetterradars auch die Hotelsuche erledigt.
Ganz wichtig ist ein Auslandstarif für Daten, welchen man schon für 5 Euro bekommt. Meiner war vom Discounter und hatte ein Datenvolumen von 150 MB bei einer Woche Laufzeit. Bei Bedarf konnte ich kurzfristig verlängern und hatte fast immer eine gute Internet-Verbindung. Es ist nicht unbedingt notwendig, eine lokale SIM-Karte zu kaufen.

Wir haben je 2 Packtaschen und eine Lenkertasche am Fahrrad mitgeführt. Darin waren in erster Linie Kleidung, Unterwäsche und Regensachen. Ich hatte außerdem noch einen Beutel mit einer Picknickdecke auf dem Gepäckträger. Man kann mit dem Fahrrad nur sehr eingeschränkt Gepäck mitnehmen, denn man spürt die Last schon deutlich - besonders an Steigungen. Abends wurden die Taschen mit ins Zimmer genommen, allein deswegen sollte man sich schon beim Packen zurückhalten.
Sonnencreme war für unsere Fahrt besonders wichtig, da wir den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt waren. Außerdem ist die Mitnahme von Werkzeug, Flickzeug, Kettenspray und (dünnen) Handschuhen unbedingt empfehlenswert.